Das neue Jahr kam diesmal nicht ganz heimlich, aber still und leise und mit viel Hoffnung darauf, dass es bald leichter werde, oder wie ich an mancher Häuserwand las: „2020 war vielleicht, 2021 wird viel-leichter“.
Was vielleicht am Anfang nicht viel leichter ist, sind Gespräche, die das Gegenüber in den Mittelpunkt stellen. Mussten wir doch mit den vielen Unwägbarkeiten im letzten Jahr oft allein fertig werden, und haben sich viele mehr und mehr in ihre persönliche „Blase“ zurückgezogen. So hatten wir vielfach nur die eigene Perspektive vor Augen (oft als bewegtes Bild in Briefmarkengröße auf unseren Bildschirmen).
Nutzen wir also den Jahreswechsel zur Reflexion und dazu, den Perspektivwechsel im Gespräch wieder zu üben. Denn gute und erfolgreiche Spenden- bzw. Akquise-Gespräche - sei es am Telefon, per Videokonferenz oder gar persönlich - stellen immer das Gegenüber in den Mittelpunkt. Wichtig ist nicht, wie toll wir unser Projekt, wie hilfreich wir unser Angebot finden, sondern was Projekt oder Angebot für die Person bewirkt, mit der wir uns unterhalten, und was es ihr nutzt, wenn sie uns spendet oder unser Angebot annimmt. Für ein wirkungsvolles Gespräch ist es oft nicht entscheidend, was wir sagen oder was wir bieten, sondern wie wir es sagen und anbieten, wie sich das Gegenüber im Gespräch mit uns fühlt.
Wer fragt, führt und gewinnt
Sie kennen das sicher: Lange haben Sie an Ihrer Vision bzw. Idee getüftelt, und nun haben Sie die perfekte Lösung gefunden. Das müssen doch alle anderen auch so sehen und Ihnen „die Bude einrennen“. Doch von alleine kommt niemand, und so müssen Sie auf Ihr Angebot, Ihr Projekt aufmerksam machen.
Wenn Sie jetzt unvorbereitet und in begeistertem Aktionismus losgehen und Ihr Gegenüber mit langem Monolog von Ihrer Vision überzeugen wollen, werden Sie meist eher Ablehnung erfahren. Denn Sie wissen ja gar nicht, ob Ihre Lösung, die ist, die dieser Mensch wirklich braucht, auf die diese Spenderin schon sehnsüchtig gewartet hat. Und so werden Sie so bald wie möglich wieder aus dem Gespräch verabschiedet. Sie haben die Führung verloren und nichts gewonnen.
Daher: Finden Sie heraus, was Ihr Gegenüber wirklich braucht. Und ist das wirklich die richtige Kundin, der richtige Spender? Fragen Sie, was diese wollen, und machen Sie das Gespräch für alle Beteiligten angenehm. Fragen öffnen bei Ihrem Gegenüber Herz und Hirn. Die meisten Menschen erzählen gern von sich. Lassen Sie also Ihr Gegenüber reden, und erfahren Sie dessen Wünsche und Visionen. Wenn Sie nichts vermuten, sondern wirkliches Interesse an Ihrem Gegenüber ausdrücken, haben Sie fast schon gewonnen.
Gestalten Sie Ihr Gespräch so, als ob Sie eine*n Freund*in gewinnen wollten (Wollen Sie da nicht auch alles über die Person erfahren?). Haben Sie dann den Menschen gewonnen, haben Sie auch den Kunden, die Spenderin gewonnen. Denn Menschen entscheiden sich immer erst emotional auf der Beziehungsebene, bevor sie ihre Entscheidung mit rationalen Argumenten auf der sachlichen Ebene untermauern.
Und wenn Sie herausfinden, dass die Wünsche und Vorstellungen Ihres Gegenübers nicht zu Ihrer Vision oder Idee passen, verabschieden Sie sich klar und höflich. Das spart beiden Zeit, und Ihr Gegenüber ist dafür dankbar. So haben Sie vielleicht keinen Geldgeber gefunden, keine neue Kundin geworben, aber möglicherweise eine*n neuen Freund*in und eine Person, die Sie weiterempfiehlt.
Die Magie der Sprache
Gespräch kommt von Sprache. Achten Sie daher auch im Gespräch auf Ihre Sprache. Sätze, die ich-geprägt sind, sorgen dafür, dass das Gegenüber abblockt, denn diese Sätze beziehen sich ja nicht auf dieses. Wenn ein Satz aber das Gegenüber direkt anspricht, dann öffnet es sich. Sagen Sie also nicht „Ich biete Ihnen eine Schreibwerkstatt an, in der man so formulieren lernt, dass die Texte alle gern lesen.“, sondern fragen Sie eher „Wissen Sie, ob und wie oft bzw. gern Ihre Texte gelesen werden? Macht es Ihnen Spaß, fällt es Ihnen leicht, Ihre Texte zu lesen?“. Das Gegenüber ist sofort einbezogen ins Gespräch, denn es muss sich jetzt über Ihre Frage Gedanken machen und kommt so von ganz alleine darauf, dass Stil und Formulierung der eigenen Texte verbessert werden könnten.
Und sprechen Sie Ihr Gegenüber immer direkt, aktiv und „würde“los an. Das heißt: Nennen Sie den Namen und vermeiden Sie passive Formulierungen und Konjunktive. Statt „Mit unserem Projekt könnten Kinder aus Brennpunkten zum Lesen gebracht werden.“ klingt der Satz aktiv, direkt und ohne Konjunktiv („würde“ bzw. „könnte“) formuliert gleich viel leichter als vielleicht: „Was meinen Sie, liebe*r Frau*Herr Spendling, wie viel Prozent der Kinder in Brennpunktbergl nicht richtig lesen können? Diese Kinder werden womöglich nie einen ordentlichen Beruf ausüben oder sich nach ihren Fähigkeiten entwickeln“. Die meisten werden jetzt nachdenken und erstaunt antworten. Nun sind sie offen für Ihr Projekt, Ihre Lösung, denn die Frage und persönliche Ansprache bezieht sie direkt und aktiv ein: „Mit unserer Lesestube und Ihrer Zeit- und oder Geldspende, Frau*Herr Spendling, schenken Sie Kindern die Chance auf ein erfülltes Leben.“ Wir nehmen also nicht nur an („könnte“), dass die Lesestube Chancengleichheit bei den Kindern aus Brennpunktbergl bewirkt, sondern wir wissen es (Indikativ).
Streichen Sie zudem negative Formulierungen aus Ihrem Sprachschatz, denn Menschen können nicht nicht denken. Wenn sie lesen „das ist nicht schwierig“, „das können wir mühelos verändern“, dann denken sie sofort an „schwierig“ und „Mühe“. Ersetzen wir die Worte durch „leicht“, erzeugen die Sätze auch gleich ein leichtes und beschwingtes Gefühl.
Auch das „Vernegativen“ von positiven Worten („ungut“) verschließt eher das Hirn und Herz der Gesprächsbeteiligten, denn es formuliert ein Problem und verharmlost es, und: „Das Reden über Probleme schafft Probleme, das Reden über Lösungen schafft Lösungen.“ (Psychotherapeut Steve de Shazer). Also fragen Sie nach Lösungen. Eine Abhandlung über das Problem, das Sie identifiziert haben, will Ihr Gegenüber nicht hören, sondern es möchte in die Lösung eingebunden werden, womöglich teil dieser Lösung sein.
Besonders wichtig aber ist, dass Sie Phrasen und Floskeln vermeiden. Wer konkret fragt, kriegt auch eine konkrete Antwort (Nur die Politik ist gerne unkonkret.). „Was müsste Ihrer Meinung nach passieren, dass die Kinder aus Brennpunktbergl die gleichen Chancen wie die Kinder aus der Parkstraße bekommen?“, „Was ist Ihnen das wert? Sagen Sie mir eine Zahl!“ etc.
Wer vorbereitet ist, kommt nicht ins Hintertreffen
Um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein, sollten Sie gut vorbereitet sein. Finden Sie alles über ihr Gesprächsgegenüber heraus, was Sie können. Und setzen Sie sich Ziele, was Sie in welcher Zeit und welchem Ausmaß realistisch erreichen wollen, denn danach richten sich Ihre Fragen.
Ein Gesprächsleitfaden hilft, die Ziele im Auge zu behalten und den Weg geradlinig zu beschreiten: Wie begrüßen wir einander? Wie steigen wir ins Gespräch ein? Welche Fragen stelle ich? Wie behandle ich Einwände? Und wie verabschieden wir uns?
Seien Sie vor allem auf sogenannte Einwände wie „ist grad ganz schlecht, keine Zeit“, „dafür gibt es kein Budget (mehr)“, „kein Interesse“ vorbereitet, und geben Sie nicht gleich auf. Zeigen Sie Verständnis, das stärkt die Beziehungsebene. Und leiten Sie die ablehnende negative Energie ab, wie bei asiatischen Kampfsportarten, um ihre eigene positive Energie einzubringen. Denn Ihre Argumente, Ihr Projekt oder Produkt sind gut und Sie müssen ja noch erfragen, was sich Ihr Gegenüber wünscht und was es braucht.
Schachmatt auf Augenhöhe
Ein Spenden- oder Akquise-Gespräch ähnelt einem Schachspiel. Es gibt zwar nicht annähernd so viele Zugmöglichkeiten im Gespräch - und das ist gut so, denn wir müssen dadurch nicht ganz so viele Situationen vorherberechnen - aber wir können die meisten Reaktionen vorhersehen und uns darauf vorbereiten. Und wie beim Schach gilt: Wer viel spielt und übt, für den wird das Gewinnen viel leichter.