Geschichten für Ohr, Herz und Kopf
Storytelling im Spenden-Mailing
Noch können wir uns gar nicht vorstellen, dass wir bald schon wieder mit dicker Jacke, Mütze auf dem Kopf und Tee oder Glühwein und Plätzchen in den Händen auf einem Weihnachtsmarkt stehen. Nicht nur weil wir immer noch auf den Sommer warten, sondern auch weil uns dieses vorweihnachtliche Vergnügen in den letzten Wintern an den meisten Orten versagt blieb. Was jedes Jahr zuverlässig eintrifft, ist die Jahres-Endzeit-Rallye mit Spendenbriefen und Marketingaktionen. Ob gedruckt als Brief oder elektronisch als E-Mail oder Story in Social Media, immer sind es die Geschichten, die wir erzählen, die die Menschen in ihren Bann ziehen und zum Handeln anregen.
Geschichten treffen das Herz, bleiben im Kopf und öffnen den Geldbeutel
„Kindern erzählt man Geschichten, damit sie einschlafen, Erwachsenen, damit sie aufwachen.“ So kommentiert Jorge Bucay die Tradition des Storytellings und meint damit das Erzählen von Geschichten als Grundpfeiler der menschlichen Kommunikation (nicht das aktuelle Marketing-Buzzword). Denn Geschichten funktionieren schon seit Jahrtausenden.
Sei es am Lagerfeuer oder in den Spinnstuben der Vergangenheit, auf Erzähl-Festivals oder in Social Media, im TV oder beim Small-Talk, wir erzählen uns ständig Geschichten. So kommunizieren wir Werte und Normen (wie im Märchen), bauen Identitäten auf und schreiben Rollen zu (vor allem in Social Media gern genutzt). Und Geschichten helfen uns, Wahrnehmung zu organisieren und Botschaften zu begreifen. Denn was wir als Geschichte hören, können wir emotional nachvollziehen, weil wir es uns vorstellen können. Und was wir uns bildhaft vorstellen, das können wir uns auch besser merken. Probieren Sie es aus: Erfinden Sie rund um Ihren Einkaufszettel eine lustige oder absurde Geschichte, und Sie können den Einkaufszettel getrost zu Hause vergessen, im Laden vergessen Sie nichts mehr.
Außerdem können wir Geschichten besser folgen als Sachberichten und länger aufmerksam zuhören. Denn unsere emotionalen Hirnareale brauchen viel weniger Energie als die rationalen. Wenn wir erzählen statt beschreiben, unterhalten und berühren wir unser Publikum gleichermaßen. Und wir erzeugen Empathie. Die Zuhörenden identifizieren sich mit den Figuren und erleben das Abenteuer in ihrem Kopf selbst mit. So schaffen Geschichten Bilder, und Bilder schaffen Wirklichkeit.
Mit Geschichten Sehnsucht erzeugen
Antoine de Saint-Exupéry, Autor von „Der kleine Prinz“ sagte einst: „Wenn du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer!“ Erzähl ihnen von türkisfarbenem Wasser, wie der Wind sanft die Haut streichelt und kein Mucks zu hören ist, außer dem Singen des Windes im Segel. Mal mit Worten ein Bild, wie am Horizont die Sonne auf dem Wasser glitzert, und du denkst: „Wie wunderschön doch unsere Welt ist.“ Wer jetzt nicht sofort den Hammer, Nägel und Bretter in die Hand nimmt, um das Boot zu bauen, war die falsche Ansprechperson.
Denn das ist die
Hierarchie des Storytellings: Erst Emotionen erzeugen beziehungsweise ein emotionales Versprechen geben, ein Bild von der Vision malen. Dann erst den Nutzen klar machen und zum Schluss die Features, die Werkzeuge erläutern, mit denen der Nutzen entsteht und die Vision gelingt. Um beim Beispiel zu bleiben: Das emotionale Versprechen ist die wunderbare Naturerfahrung, die ich machen werde, die mein Herz berührt. Um das zu erreichen, muss ich ein Boot nutzen. Dass dieses Boot durch ein Segel angetrieben wird und aufgrund physikalischer Gesetzmäßigkeiten wie Auftrieb nicht untergeht, sind die Features, die zum Schluss nur noch die Sachkundigen interessieren dürften.
Die Heldenreise - Die meist erzählte Geschichte
Die klassische Geschichte ist die sogenannte Heldenreise. Die Hauptfigur muss die gewohnte Welt verlassen, denn das Abenteuer ruft. Zunächst verweigert sie sich, doch die Begegnung mit einem Mentor oder einer Mentor*in veranlasst die Held*in oder den Held, die Schwelle zu überqueren. Hier erwarten sie und ihn Prüfungen sowie Widerparte und Verbündete. Der Tiefpunkt der Reise ist gleichzeitig der Höhepunkt, denn die Figur nähert sich der Lösung an, sie erkennt die Vision und wird in der finalen Prüfung wiedergeboren. Sie erhält das Elixier, die Belohnung. Auf dem Weg zurück in die alte Welt, die nie mehr so sein wird wie vor der Reise, verwandelt sich die Hauptfigur und wird eine andere. Und sie bringt das Elixier in die alte Welt, die damit eine bessere oder zumindest andere wird.
Egal ob Märchen oder Blockbuster, Komödie oder Tragödie, Witz oder Roman - der rote Faden der Heldinreise zieht sich durch fast alle Geschichten, auch wenn die Hauptfigur nicht immer alle Stationen durchläuft.
Ihre Mission ist Ihre Geschichte
Auch im Aufbau gleichen sich Geschichten. Meist steht am Anfang ein Aufhänger (Hook), die Charaktere werden eingeführt: Wer führt die Mission an? Was ist das für ein Mensch? In welchem Bezug steht diese Person zur Mission? Ist sie zum Beispiel Spender oder Betroffene, Ihre soziale Organisation selbst oder ein Kollege, eine Mitarbeiterin? Danach ziehen wir das Publikum in Bann (Hold), indem wir den Konflikt, die Herausforderung in Bilder fassen und erklären: Warum muss die Person losziehen, wie wird die neue Welt aussehen? Was ist die Vision? Und wie kann die Heldin oder der Held die Herausforderung meistern, ihre Mission erfüllen? Was oder wer steht ihr oder ihm im Weg, um die Mission zu erfüllen, und welche Prüfungen muss sie oder er durchleben, um am Höhepunkt (Climax) die Lösung zu finden.
Danach kann eine fallende Handlung folgen. Sie erzählen zum Beispiel, wie sich die Hauptfigur und oder ein Widerpart auf dem Heimweg verwandeln. Und wie die alte Welt dank des Elixiers, Ihres Engagements, Ihres Produkts zur neuen gewohnten Welt wird.
Wer das Publikum länger in der Schwebe halten will, kann das mit einer Serie kleiner Geschichten mit Cliffhanger tun. Die Geschichte wird pro Folge ein Stück weiter erzählt und endet jeweils mit einer offenen Szene, die neugierig auf die nächste Folge macht. (Seit den letzten Lockdowns kennen sicher viele den Drang, die nächste Folge einer Serie auch noch anzuschauen - bis hin zum
Bingewatching.)
Egal, ob Sie ihre Geschichte mit dem Erhalt des Elixiers, dem Erreichen der Lösung beenden oder eine fallende Handlung vor den Schluss setzen, immer sollte am Ende die neue Welt als Bild vor unserem geistigen Auge erscheinen. Damit wir die Sehnsucht, den Drang verspüren, ein Teil dieser Lösung zu sein und aktiv werden.
Geschichten erzählen von Menschen, Siegen und Lösungen
Bevor Sie eine Geschichte erzählen, stellen Sie sich am besten diese Fragen: Wer ist unsere Hauptfigur und welche Rolle spielt sie in der Geschichte? Wie sieht der Konflikt aus, welchen Mangel muss die Hauptfigur beseitigen? Warum muss sie die Reise antreten, wie sieht die Lösung bzw. die Wirkung, der persönliche Mehrwert für die Zielgruppe aus? Was passiert ohne Lösung? Und wie sieht die neue Welt aus? Inwiefern ist sie besser, schöner, wertvoller etc.?
Dann suchen Sie sich ein Narrativ oder einen Plot aus. Ist die Geschichte eher eine von David gegen Goliath, also besiegen wir das Monster? Oder entwickelt sich unsere Hauptfigur vom Tellerwäscher zum Millionär? Ist die Geschichte die einer Suche, eines Strebens? Oder eine Reise und Rückkehr? Erzählen wir eher eine Komödie? Oder doch eine Tragödie? Oder geht es um die Wiedergeburt, die Verwandlung in eine andere, bessere Person?
Wenn Sie all diese Fragen geklärt haben, müssen Sie nur noch den richtigen Stoff finden. Denn Storytelling ist Storylistening.
Storytelling ist Storylistening
Während Fundraising eher dem Prinzip Ackerbau und Viehzucht folgt, ist das Storytelling Jagen und Sammeln. Denn um gute Geschichten zu erzählen, muss man gute Geschichten kennen. Und nur wer zuhört, erfährt auch gute Geschichten: Warum wurde die Organisation vor so vielen Jahren gegründet (Gründungs-Geschichten)? Was ist die Mission der Organisation, des Unternehmens (Der Weg zum Elixier)? Welche Geschichten haben die Nutznießenden, die Klientel und oder Kundschaft zu erzählen? Und was erzählen die Mitarbeitenden (Insight-Storys)?
Sammeln Sie diese Geschichten, und nutzen Sie sie für Social Media, Mailings, Broschüren, persönliche Treffen. Erzeugen Sie Sehnsucht, ein Teil der Mission zu sein!
QR-Code, Landingpage und gute Texte
Um das zu erreichen, kommt es beim Geschichtenerzählen neben dem WAS wir erzählen auch darauf an, WIE wir es erzählen.
Mit Worten Bilder malen ist hier das Motto. Klar, kurz knapp, verständlich, interessant und lebendig sollten die Texte formuliert sein, damit ein Bild in den Köpfen des Publikums entsteht.
Und wenn unsere Geschichte dank eines bildhaften Textes, passender Bilder und einer spannenden Heldenreise die Menschen zum Handeln anregt, sollten wir ihnen dieses so leicht wie möglich machen.
Wollen wir Spenden erhalten, ist es vor allem im Print-Mailing sinnvoll, über einen QR(Quick-Response)-Code auf eine Landingpage unserer Organisation mit Spendenformular zu verlinken. Wollen wir etwas verkaufen oder eine Newsletter-Anmeldung erreichen, sollte das entsprechende Bildchen aus Quadraten und Leerfeldern auf unseren Shop oder ein Newsletter-Archiv verlinken. Wollen wir mit unserer Kundschaft telefonieren, dann nutzen wir den QR-Code für Telefonnummern. So können die Interessierten mit nur einem Klick direkt mit uns Kontakt aufnehmen.
Bei elektronischer Post sollten Sie auf jeden Fall die IBAN des Spendenkontos angeben. Oder Sie setzen einen Button ein, der direkt auf das Spendenformular verlinkt. Crowddonating-Anbieter wie betterplace oder helpdirect bieten solche Formulare gratis oder für sehr kleine Gebühren an. Und manchmal ist sogar die Hausbank die beste Wahl, um ein Spendenformular zu erstellen. Fragen kostet ja erst mal nichts.
Und noch ein Tipp zum Print-Mailing: Es dürfte weniger Konkurrenz im Postfach haben als elektronische Post und somit mehr Aufmerksamkeit erhalten. Und um es dann den Spendenwilligen so einfach wie möglich zu machen, fügen Sie einen Überweisungsträger an den Brief oder an das Begleit-Faltblatt an. Denn diesen können die Spendenwilligen für ihr Online-Banking abschreiben oder sogar abfotografieren, wenn die entsprechende Bank das anbietet.